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Agiles Arbeiten: Tipps für Deinen Berufsstart

So lebst Du Teamwork mit allem Scrum und Dran

Bylle Bauer
Ein Schreibtisch mit einer Scrum-Tasse & vielen bunten Zetteln.

Agile Entwickler:innen sind keine Exoten mehr. Jahre nachdem das agile Manifest veröffentlicht wurde, sind sie im Mainstream angekommen. Offensichtlich aus gutem Grund. Agiles Arbeiten ist in vielen Unternehmen das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, komplexe IT-Projekte zu managen – besonders (aber nicht nur!) im Software-Bereich. Im folgenden Artikel liest Du, worum es sich bei agilem Arbeiten handelt. Du kannst außerdem herausfinden, ob diese Art zu arbeiten, etwas für Dich ist und wie Du einen perfekten Start in die Welt der iterativen Sprints hinlegst!

Warum arbeiten Menschen agil?

Die heutige Welt ist globalisiert, digitalisiert und ganz schön “VUCA” – geprägt von Volatility (Volatilität, also Schwankungen unterworfen), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Das wirkt sich auf die Gesetze des Marktes und die Art und Weise aus, wie wir arbeiten. 

Oft steckt man als Unternehmen einfach nicht drin! Denk zum Beispiel mal an die Havarie des Frachtschiffs “Ever Given” im Suezkanal, die zu monatelangen Lieferschwierigkeiten von Halbleitern führte. Denk an die Corona-Krise, die der Digitalisierung einen ungeahnten Aufschwung verschaffte, oder den Ukraine-Krieg: Die globalen Märkte sind vielfältigen Schwankungen unterworfen, die weit außerhalb des Einflussbereichs von Individuen und Unternehmen liegen. Je nachdem, was eine Firma anbietet, können solche unerwarteten Ereignisse manchmal gut sein, manchmal schlecht. In beiden Fällen ist es sinnvoll, entsprechend reagieren und entweder den Nutzen maximieren oder den Schaden minimieren zu können. 

Denn eine Regel gilt universell: Oben schwimmen diejenigen, die sich schnell und bedarfsgerecht an neue Rahmenbedingungen anpassen können. Mit agilem Arbeiten kann ein Unternehmen eben diese Flexibilität erreichen. Dafür muss es aber bereit sein, eine grundlegende Transformation zuzulassen. 

Agiles Arbeiten ist sinnvoll, um …

  • in einer komplexen Welt schnell auf Veränderungen reagieren zu können.
  • Lösungen zu realisieren und zu optimieren, die maximal nah am Wunsch der Kund:in und anderer Stakeholder wie dem Management sind.
  • Produkte schneller zur Marktreife zu führen, indem man sich direktes und wiederholtes Feedback der Stakeholder einholt und die iterativen Entwicklungszyklen für kontinuierliche Verbesserungen am Produkt nutzt.
  • einen realistischeren Blick auf die Kosten und Dauer eines Projekts zu haben und eine hohe Transparenz bezüglich des Fortschritts zu erreichen.
  • Teamarbeit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu verbessern.

Agile Arbeitsorganisation

Im Zentrum des agilen Arbeitens steht die Teamarbeit. Agile Teams sind interdisziplinär und arbeiten selbstorganisiert und unabhängig. Ohne das Okay von Vorgesetzten, treffen die Mitglieder selbstbestimmte Entscheidungen darüber, wie sie arbeiten – welche Programmiersprachen, Tools und Methoden zum Einsatz kommen oder zum Beispiel welchen Teil des Produkts sie wann entwickeln wollen. Wenn das Team Entscheidungsbefugnisse hat, steht der schnellen Auslieferung nichts im Wege. 

Es läuft! Das Gefühl, die eigenen Ideen einbringen zu können und sinnhafte Tätigkeiten zu verrichten, macht Mitarbeitende in der Regel einerseits zufriedener, andererseits stärkt das auch die Bindung der Menschen ans Unternehmen. Wer Commitment möchte, muss Vertrauen schenken – ein Tausch, der gerade den Führungsebenen manchmal ganz schön schwerfällt, sich aber meistens lohnt! 

There is no “I” in team

Im klassischen Projektmanagement verläuft die Produktentwicklung linear: In festgelegten, aufeinanderfolgenden Phasen führen die unterschiedlichen Abteilungen (wie Anforderungsanalyse, Design, Entwicklung, Testing, Betrieb) ihre jeweiligen Arbeitsschritte durch. 

Beim agilen Arbeiten hingegen sind gemischte Teams am Start, die gemeinsam und gleichzeitig an dem Produkt arbeiten, also auch gemeinsam für Schwierigkeiten geradestehen und gemeinsame Erfolge feiern. Jedes Mitglied hat zwar ein Spezialgebiet, das es hauptsächlich verantwortet – in der Softwareentwicklung zum Beispiel Frontend, Backend oder Testing – aber weiß und versteht, was die anderen tun und kann auch Aufgaben davon übernehmen, wenn es drauf ankommt. Denn das Ziel der agilen Arbeitsweise ist es, effizient zu sein und die Arbeit gleichmäßig auf das Team zu verteilen. Für Unternehmen ist es natürlich auch ein Gewinn, wenn alle Mitarbeitenden ausgelastet sind und niemand fürs Däumchendrehen bezahlt, werden muss. 

Wie funktioniert agiles Arbeiten?

Agiles Arbeiten hat seine Ursprünge zwar in der Softwareentwicklung, ist aber keineswegs auf diese beschränkt. Es eignet sich immer dann, wenn komplexe Projekte abgewickelt werden müssen, bei denen nicht alle Einflussfaktoren von Anfang an bekannt sind. 

Wenn ein Entwicklungsteam das 18. Feature eines gut abgehangenen Produkts entwickeln soll, lassen sich Angaben zu Zeit, Aufwänden und Kosten aus der Erfahrung mit den Features 1-17 relativ gut einschätzen. Auch der Arbeitsablauf wird immer ähnlich und dementsprechend allen klar sein. 

Betritt ein Team aber Neuland, sind agile Methoden sinnvoll. Sie lassen eine hohe Anpassungsfähigkeit zu, die vom intensiven Austausch lebt – die Entwickler:innen sind die ganze Zeit fokussiert miteinander am Produkt zugange, in regelmäßigen Abständen tauschen sie sich mit dem Product Owner und den Stakeholdern aus. Durch deren Feedback lässt sich beispielsweise früh genug erkennen, ob das Team noch auf dem richtigen Weg ist oder ob das Produkt nach wie vor die Needs des Marktes trifft. Wenn nicht, kann das Team direkt gegensteuern, statt weiter Geld zu verbrennen. 

Scrum

Die häufigste agile Vorgehensweise und Basis der meisten anderen Methoden ist Scrum, ein Framework mit wenigen festen Regeln, die aber auf jeden Fall eingehalten werden müssen. Sie bilden den Rahmen, innerhalb dessen ein Scrum-Team sich frei bewegen kann.

Dein Berufsstart im agilen Umfeld

Wenn Du nun Lust auf agile Methoden hast, solltest Du Dich im Vorfeld zum Beispiel auf der Website Deines potenziellen neuen Arbeitgebers informieren, ob sie dort zum Einsatz kommen. In einer Jobanzeige als Entwickler:in sollte die Info, dass Dein Team agil arbeitet, eigentlich auch fallen, aber das ist keine Garantie. Vielleicht ist das auch erst perspektivisch vorgesehen, und Du könntest zum Change-Team gehören! Bewirbst Du Dich als Junior Scrum Master oder Junior Product Owner, ist klar, dass Du im agilen Umfeld unterwegs sein wirst. Für Dich als angehende:n IT- Projektmanager:in wäre eine interessante Frage fürs Vorstellungsgespräch sicher “Arbeiten Sie auch agil?”. 

Denn tatsächlich gibt es viele Unternehmen, bei denen nur manche Teams (meist die Softwareentwicklung) agil arbeiten. Dann gibt es andere, bei denen zwar weiter Hierarchien eine wichtige Rolle spielen und deren tägliche Aufgaben sich aufgrund mangelnder Komplexität auch nicht für agiles Arbeiten eignen, die aber trotzdem agile Elemente in ihren Arbeitsalltag inkorporieren. Zum Beispiel treffen sich die Teams täglich 15 Minuten zu einer Absprache à la Daily oder organisieren ihre Arbeitsschritte in Tickets, die dann nach dem Kanban-Prinzip abgearbeitet werden.

Exkurs: Kanban – Stop starting, start finishing!

Die Methode Kanban wurde bereits Mitte des letzten Jahrhunderts bei Toyota entwickelt und auf die Softwareentwicklung und das Projektmanagement übertragen. Die Basis dieser Organisationsform bilden ein Backlog und das Kanban-Board. Letzteres hat wenige Spalten, meist “To Do”, “Doing” und “Done”, oft noch “Review” oder “bereit zur Bearbeitung”. Während die gesamten Aufgaben des Teams im Backlog liegen, kann es nur eine bestimmte Anzahl an Tasks in die Spalten des Boards ziehen und bearbeiten. So darf es zum Beispiel nicht mehr als drei “To Dos” gleichzeitig geben, in “Doing” dürfen maximal zwei Aufgaben stehen. Erst wenn diese ins “Done” verschoben werden können – also erledigt sind – kann die nächste Aufgabe aus dem Backlog genommen und begonnen werden. Durch dieses WIP-Limit (WIP bedeutet Work in Progress) verhindert das Team, von zu vielen Aufgaben erdrückt zu werden und den Fokus zu verlieren. Statt immer mehr reinzupushen, ist das Nachrücken erst möglich, nachdem das Team eine Pull-Bewegung ins “Done” vollziehen konnte. Diese Methode macht Teams schneller – und wenn Du uns nicht glaubst, mach mal das Kanban-Experiment mit den Papierfliegern! 

Ist agiles Arbeiten das Richtige für Dich?

Agile Arbeitsweisen sind nicht für jede:n gemacht. Einige Menschen bevorzugen es, nach vielfach erprobten und bewährten Strukturen und Prozessen zu arbeiten und Aufgaben zu erledigen, für die nicht allzu viel Eigeninitiative notwendig ist. Manche möchten gern morgens eine Liste auf ihren Schreibtisch gelegt bekommen, die sie den Tag über abarbeiten können und überlassen relevante Entscheidungen lieber anderen. 

Wenn Du da komplett anders tickst und bei den meisten der folgenden Punkte einen Check machen kannst, könnte Dir das agile Umfeld jedoch gut gefallen:

  • Du arbeitest am liebsten im Team und kannst Dich darin gut organisieren
  • Du bist ein Kommunikationstalent und tauschst Dich gern, oft, zielführend und respektvoll aus
  • Du übernimmst gern Verantwortung für Deine Arbeit
  • Du kannst Dich selbst kritisch hinterfragen und lernst gern dazu
  • Du willst alles genau wissen und Zusammenhänge begreifen
  • Du trägst gern zur Weiterentwicklung von Prozessen, Methoden und der Unternehmenskultur bei

Wenn Du viele Haken hast: go for it! Agile Methoden sind gerade für IT’ler:innen auch deshalb perfekt, weil deren Fachgebiete meist ein so tiefes Know-how voraussetzen, dass es schon allein deshalb sinnvoll ist, wenn sie die relevanten IT-Entscheidungen treffen und nicht der fachfremde Boss. Eine agile Kultur weiß das. Umgekehrt kann es für so manches Genie richtig demotivierend sein, wenn aufgrund mangelnden Wissens der Führungsebene und konstruierter Hierarchien gute Ideen verpuffen. Wer Freiheit liebt und auch bereit ist, alle damit einhergehenden Risiken auf sich zu nehmen, sollte das agile Umfeld mal ausprobieren.

Durchstarten im agilen Job

Als Junior Developer:in bist Du in agil arbeitenden Entwicklungsteams durchaus willkommen. Hier schätzt man in der Regel eine grundsätzliche Diversität der Teammitglieder und den frischen Blick, den Du als Neuling mitbringst. Ein bisschen anders ist das mit den rein agilen Rollen: Vielleicht hast Du Dich selbst schon mal nach Jobs als Scrum Master und Product Owner umgeschaut und bemerkt, dass die meisten Unternehmen erfahrene Mitarbeiter:innen suchen. Kein Wunder, denn die Verantwortung ist groß und es kann viel schief gehen. 

Da hast Du Dein Zertifikat in der Tasche, bist motiviert – und kannst Dein Wissen nicht anwenden, weil Dir die Berufserfahrung fehlt? Aber wie sollst Du die sammeln, wenn Dich als Berufseinsteiger:in keiner sucht? Zum Glück gibt es gerade in größeren und großen Unternehmen immer wieder die Chance, als Junior Scrum Master oder PO loszulegen. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass Du Deinen Berufsstart in einem größeren Unternehmen vollziehen wirst. Danach hast Du Sporen aus Stahl und kannst Dich in jedem Umfeld umsehen!

Eigentlich kannst Du Agilität am besten verstehen, indem Du sie lebst. Erst wenn Du selbst siehst, wie sinnvoll es ist, im Daily auf Hindernisse hinzuweisen, die direkt im Anschluss beseitigt werden können und Du einfach wieder fröhlich weitersprinten kannst, wenn Du erlebst, wie magnetisch Euch das Sprint-Ziel nach vorne zieht und erfährst, wie Deine ehrlichen Worte Anklang finden, kannst Du den Wert des Frameworks wirklich fühlen. Das ist aber allen Beteiligten klar, also erwartet bei Deinem Berufsstart auch keine:r von Dir, dass Du das alles schon kannst. Das agile Mindset besitzt eine hohe Fehlertoleranz und lässt lebenslanges Lernen zu, also sprinte einfach von Etappenziel zu Etappenziel!  

TL;DR:
  • Agiles Arbeiten ist sehr gut für das Management von komplexen IT-Projekten geeignet. Es macht schnell reaktionsfähig, resilient und verbessert die Zusammenarbeit von Teams und die gemeinsame Schaffung von Mehrwert für Stakeholder und Kund:innen. 
  • Dafür bricht das agile Arbeiten mit traditionellen Hierarchiestrukturen und überträgt Verantwortung, Entscheidungskompetenzen und einen hohen Grad an Selbstbestimmung an das Team.
  • Das interdisziplinäre Team arbeitet in iterativen, meist zweiwöchigen Entwicklungszyklen. Diese so genannten Sprints beginnen mit der Planung und enden mit Review und Retrospektive. Daneben wird täglich ein 15-minütiges Daily Scrum abgehalten.
  • Product Owner verantworten das Backlog und die Stakeholder-Kommunikation, Scrum Master sorgen für ein hindernisfreies agiles Arbeiten der Teams und moderieren auf Wunsch Meetings.