Objectives & Key Results (OKR)
Netflix, Microsoft und LinkedIn schwören genauso drauf wie Google, Spotify und Adobe: Objectives and Key Results, kurz OKR, schaffen Transparenz und Klarheit, geben einem Team Fokus und verleihen Deiner täglichen Arbeit einen tieferen Sinn. Sie helfen dabei, Aufgaben zu priorisieren und in kleinen Schritten abzuarbeiten – planvoll, reflektiert und erfolgreich. Klingt super? Ist es auch – aber bei OKR steckt der Teufel im Detail. Let’s exorcise!
Was sind OKR?
OKR sind eine Methode für Zielmanagement, die zum einen aus den Objectives – inspirierenden Zielen – und zum anderen aus Key Results – also Ergebnissen – besteht, die den Zielzustand auf eine objektive, messbare Weise und aus verschiedenen Perspektiven beschreiben. OKR werden zyklisch verfolgt, in der Regel über einen Zeitraum von 3 bis 4 Monaten. Innerhalb dieser Zeit hat die Erreichung der Schlüsselergebnisse absolute Priorität vor allen anderen Aufgaben des Teams.
Der Management-Experte John Doerr, der die heutigen OKR maßgeblich mitgeprägt hat, fasst die Vorteile der Methode mit dem Akronym "FACTS" zusammen: OKR geben Fokus (F), helfen dabei, die Aktivitäten aller auf gemeinsame, ehrgeizige Ziele auszurichten (A wie Alignment) und bringen Individuen und Teams dazu, Verantwortung (Commitment) für den Erfolg der Organisation zu übernehmen. Dabei sind die Ergebnisse messbar (Tracking) und die Ziele ambitioniert (Stretch).
Menschen, Teams und Unternehmen können OKR gleichermaßen nutzen. Besonders viel Kraft entfaltet die Methode in einem organisationsweiten Kontext, wo alle Teams und Bereiche durch OKR ihr tägliches Handeln auf die gemeinsame Erreichung der Unternehmensziele ausrichten. Auch wenn OKR in den letzten Jahrzehnten vor allem im agilen Kontext einen Aufschwung erfahren und aufgrund der schnellen Anpassbarkeit auch perfekt da reinpassen, funktionieren sie ebenso in traditionellen Unternehmen – dort kommen sie schließlich auch her.
Geschichte der OKR
Ehe wir also im Detail durchgehen, wie das mit OKR funktioniert, verfolgen wir kurz zurück, wie sie überhaupt zu der Methode geworden sind, die wir heute kennen. Denn ihre Entwicklung spiegelt durchaus größere gesellschaftliche Trends wider, etwa den profunden Shift in der Stellung von qualifizierten Fachkräften oder auch die Hinwendung zu agilen Methoden, die auf Mitsprache und Partizipation aller basieren.
Objectives first
Die Urversion der Objectives & Key Results haben wir wie so manchen Geniestreich dem modernen Universalgelehrten Peter F. Drucker (1909–2005) zu verdanken. In seinem berühmten Werk The Practice of Management (1954) stellte er das Management by Objectives (MBO) vor, das zum Zwecke der Leistungssteigerung einer Organisation eine klare Definition der Unternehmensziele einforderte. Davon leitete man Ziele für die Mitarbeitenden ab, überwachte deren Fortschritt und belohnte erwünschte Verbesserungen.
Insgesamt war dieses System ziemlich top-down, aber hey: das waren die 1950er, und MBO war ein früher Versuch, die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter:innen anzuheizen, indem eine Verbindung zwischen ihrem Tun und den höheren Zielen hergestellt wurde – zumindest in der Theorie. In der Realität führte das System allerdings an einigen Stellen dazu, dass die Angestellten bestimmte Ziele mit allen Mitteln zu erreichen versuchten – auch auf Kosten der Qualität.
Die Key Results kommen ins Spiel
In den Siebzigern kam frischer Wind in das MBO-Konzept, als der damalige CEO des kalifornischen Halbleiter-Herstellers Intel, Andy Grove, es um einen wichtigen Bestandteil weiterentwickelte: Schlüsselergebnisse – Key Results – sollten dabei helfen, die Zielerreichung auf objektive Art, anhand individuell festgelegter Metriken, zu messen. Dabei ging es von Anfang an nicht darum, die Mitarbeitenden zu kontrollieren, sondern darum, ihnen ein Instrument zur Verfügung zu stellen, mit dem sie ihre Leistung verfolgen und ihre Kapazitäten realistisch einschätzen können. Es ging auch nicht darum, die Anzahl der Aufgaben zu erhöhen, sondern sich auf die Aktivitäten zu konzentrieren, die aktuell am wichtigsten sind.
The OKR system is meant to pace a person – to put a stopwatch in his own hand so he can gauge his own performance. It is not a legal document upon which to base performance review.
Andy Grove
Erneuten Aufschwung bekam das Konzept 1999 bei Google, und zwar durch den Management-Berater John Doerr, der dem damals erst ungefähr 30 Leute zählenden Team um Larry Page und Sergey Brin die Methode vorstellte. Sie ist bei Google bis heute im Einsatz; die Gründer führen sogar ihren unglaublichen Erfolg auf OKR zurück:
OKRs have helped lead us to 10x growth, many times over. They’ve helped make our crazily bold mission of 'organizing the world’s information' perhaps even achievable. They’ve kept me and the rest of the company on time and on track when it mattered the most.
Larry Page in "How Google Works" (2014)
Doerr legte die OKR anfangs vierteljährlich fest, weil er der Meinung war, dass die kurzfristigen Ziele die eigentliche Arbeit vorantreiben, berücksichtigte jedoch Pages Wunsch, Jahresziele hinzuzufügen und entwickelte das Modell daraufhin parallel weiter hin zu kurzfristigen OKR, die auf die langfristige Strategie einzahlten. Auch der neue Google-CEO Sundar Pichai hat der Methode nochmal einen Feinschliff verpasst. Heute sind Googles OKR ein gut geöltes System, innerhalb dessen sich 140.000 Mitarbeitende zyklisch auf einige wenige Ziele fokussieren und durch ihr Tun den mittlerweile zum Giganten angewachsenen Konzern stetig voranbringen.
Wie funktionieren OKR?
Selbstverständlich lässt sich die Art, wie die Teams bei Google OKR betreiben, nicht 1:1 auf irgendein anderes Unternehmen übertragen. Die enorme Flexibilität der Methode ist ihre große Stärke, die sie an nahezu jeden Kontext perfekt anpassbar macht.
Dabei sollten aber einige Grundregeln beachtet werden:
- OKR sind kurzfristig angelegt, und zwar für einen Zyklus von 3 bis 4 Monaten. Danach beginnt ein neuer Zyklus, und für die Motivation ist es günstiger, dann auch mit neuen OKR weiterzumachen, anstatt die alten mitzunehmen in den nächsten Zyklus.
- Innerhalb eines OKR-Zyklus legt ein Team 2 bis 4 Objectives fest und bestimmt für diese wieder jeweils 2 bis 4 Key Results die den anvisierten Zustand aus verschiedenen Perspektiven beschreiben und durch spezifische, messbare Kennzahlen untermauern. Dabei wählt Ihr einen Wert, der Sinn ergibt. Manchmal eignen sich Prozentanteile, manchmal ganze Zahlen oder einfach nur 1 für "ja" und 0 für "nein".
- Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Objectives extra ambitioniert formuliert werden (gleich mehr dazu) und Ihr bei den Key Results nicht 100 Prozent erreichen müsst, um erfolgreich zu sein. Auch 70 oder 80 Prozent in die richtige Richtung können einen riesigen Fortschritt bedeuten!
- Das Team richtet seine eigenen OKR entweder an den mittelfristigen Zielen (MOALS; meist Jahresziele) bzw. den OKR des Managements aus oder zahlt durch die eigenen Ziele direkt auf die Vision, Mission und Strategie des Unternehmens ein. Dafür ist es natürlich wichtig, dass diese offen kommuniziert werden. OKR definieren die nächsten Schritte auf dem Weg zur Erreichung der übergeordneten Ziele der Organisation.
- Ein wirklich wichtiges Element, damit die Methode funktioniert, ist die regelmäßige Auseinandersetzung im Rahmen eines Weeklys oder Bi-Weeklys mit Eurem Fortschritt, am besten zusammen mit einem erfahrenen OKR Master (m/w/d). Indem Ihr Euch alle 1 bis 2 Wochen aktiv mit den Zahlen befasst, macht Ihr Hürden, stockende Prozesse und Flaschenhälse schnell sichtbar und könnt sie beheben.
- Im Idealfall trägt für jedes OKR eine Person aus Eurem Team den Hut. Dieses Directly Responsible Individual stellt sicher, dass das Ziel nicht aus dem Fokus gerät und weiter Fortschritt gemacht wird.
- Wenn Ihr zwischendrin merkt, dass ein Ziel sich nicht erreichen lässt, ist es völlig ok, wenn Ihr die Key Results anpasst. Denn OKR sind keine Arbeitsanweisung von oben, sondern ein Hilfsmittel und Lernwerkzeug für Euch! Deshalb justiert ruhig nach und setzt auch mal einen Zyklus aus, wenn Ihr nichts beizusteuern habt oder z.B. aus personellen Gründen aktuell einen stärkeren Fokus auf das Tagesgeschäft richten müsst!
- Die Methode hilft Euch, Eure Ressourcen gleichmäßig einzusetzen, Euch nicht zu verschleißen und trotzdem das Optimum aus Eurem Tun rauszuholen.
- Nach dem Zyklus gibt es eine Retrospektive, in der Ihr die vergangenen Monate Revue passieren lasst, darüber sprecht, was gut lief und auch darüber, was nicht. Diese Learnings teilt Ihr im Namen der Transparenz im gesamten Unternehmen.
- Kontinuierliche Verbesserung steht bei OKR ganz weit oben. Die Teamarbeit sukzessive realistischer einzuschätzen gehört genauso dazu wie aus Fehlern zu lernen und auch, die OKR richtig zu formulieren. Seid Euch drüber im Klaren, dass Ihr es nicht von Anfang an perfekt machen müsst, sondern immer besser werdet und ein Gefühl dafür entwickelt, was klappt und was nicht.
OKRs are simple and hard. Running a marathon is also simple and hard. You don’t try to do it in one go. You build up to it
Christina Wodtke in "Radical Focus" (2022)
- Genauso bewährt es sich, zum Anfang des neuen Zyklus nicht nur die Vorstellung der Unternehmensziele zu berücksichtigen, sondern auch die der Teams im ganzen Unternehmen im Rahmen einer OKR Vernissage vorzustellen. Durch diese Transparenz werden Abhängigkeiten und Synergien sichtbar und Ihr könnt, wenn es nützlich ist, auch ein teamübergreifendes OKR implementieren.
Alle ziehen an einem Strang – der klare Fokus ist ein echter Erfolgsbooster, der überdies noch dazu beiträgt, dass Menschen eine Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit sehen.
Überdies regen OKR zur Reflexion darüber an, was wirklich wichtig ist. Das Management, die Teams, die Mitarbeitenden: Alle müssen sich fragen, welche Ziele relevant sind und warum. Dazu muss eine Organisation natürlich bereit sein – ein weiterer Grund, warum OKR vor allem in agilen Kontexten Anklang finden. Denn hier gehört es einfach dazu, sich kritisch zu hinterfragen.
The essence of strategy is choosing what not to do.
Michael Porter
Es hat sich übrigens als unklug erwiesen, die Zielerreichung mit Boni oder Gehältern zu verknüpfen, denn dann läuft das Unternehmen Gefahr, dass die Teams sich nur lasche und konservative Ziele stecken. Aber gerade darum geht es bei der Zielformulierung nicht: The sky is the limit!
OKR richtig formulieren
Shots to the moon: Objectives formulieren
Objectives sollen inspirierend und ehrgeizig klingen und dürfen ruhig als "Moonshots" formuliert werden. Das Objective sollte den Mehrwert der Tätigkeiten Deines Teams beschreiben, den Outcome. Also, greif ruhig ein bisschen nach den Sternen, wenn Du mit Deinem Team Ziele formulierst, um aus Euren tollen Ideen Taten zu machen!
Beispiele:
Objective 1: "Unser Blog erhält deutlich mehr Aufmerksamkeit."
Objective 2: "Wir nutzen LinkedIn erfolgreich als Vertriebskanal."
Objective 3: "Unsere Mitarbeitenden kommen gern ins Büro und fühlen sich bei uns wohl."
Tracking deluxe: Key Results formulieren
Nun überlegt Ihr gemeinsam, welche Zustände eintreten müssten, um Euer Objective zu erreichen. Die Key Results beschreiben den Fortschritt aus verschiedenen Perspektiven. Indem Ihr nämlich Input gebt – Ressourcen in Form von Arbeitskraft, Zeit, Geld usw. – bekommt Ihr Output, ein greifbares Schlüsselergebnis. Um Euch da hinzuarbeiten, legt Ihr einen anvisierten Soll-Zustand in messbaren Zahlen fest und sprecht im Rahmen Eurer Weeklys mit dem OKR Master regelmäßig über das aktuelle "Ist", damit Ihr wisst, ob und wie gut Ihr vorankommt.
Exerzieren wir das doch mal an Objective 1 durch, den Blog groß machen.
Key Result 1: "Wir haben die Anzahl unserer Artikel auf 30 gesteigert."
Wenn es auf Eurer Website bereits 12 Blogartikel gäbe, wäre hier zum Beispiel Euer Ist 0 bzw. 12/30 und Euer Soll 18 bzw. 30/30. Beim Weekly würdet Ihr dann reflektieren, wie weit Ihr gekommen seid und immer fleißig nachtragen: 3/18, 12/18, 18/18, 100%!
Key Result 2: "Wir haben 50 % mehr Blog Views."
Wieviele Besucher:innen auf Eurem Blog landen, messt Ihr mit Eurem Website-Analysetool. Ihr könnt auch noch mehr ins Detail gehen und die Verweildauer oder die Absprungrate messen.
Key Result 3: "5 unserer Artikel werden dreimal bei LinkedIn geteilt."
Auch das lässt sich einfach nachverfolgen und messen. Wenn nun aber rauskommen sollte, dass aktuell gar nichts bei LinkedIn geteilt wird, zum Beispiel, weil erstmal das Unternehmensprofil auf Vordermann gebracht werden und eine Audience aufgebaut werden muss, dann ist es auch ok, wenn Ihr die Fehleinschätzung einseht und das Key Result für diesen Zyklus streicht. Berichtet auf der nächsten Retrospektive darüber und lasst Eure Kolleg:innen von Euren Learnings profitieren!
So, nun bist Du eigentlich gut ausgerüstet, um OKR zu Deiner Lieblingsmethode zu machen! Bevor Du startest, nimm Dir noch diese 5 Profi-Tipps von Google mit:
Googles 5 Tipps, um OKR-Fehler zu vermeiden
- Formuliert Eure Objectives ambitioniert und erwartet nicht, 100 Prozent zu erreichen.
- Visualisiert nicht einfach Euer Tagesgeschäft! Vermeidet OKR, die sich wiederholende Abläufe beschreiben, sondern konzentriert Euch auf Ziele, die Eure Entwicklung vorantreiben.
- Nutzt alle vorhandenen Ressourcen. Verschwendet keine Zeit und kein Talent, gebt allen relevante Aufgaben, die sie motivieren.
- Klasse statt Masse: Was nützt es, eine hohe Stückzahl eines Produkts herzustellen, das keinen Mehrwert bringt? Eure Ziele sollten den Outcome fokussieren und nicht den Output!
- Sucht sinnvolle Key Results, die den Zielzustand gut beschreiben. Legt Wert auf Vollständigkeit und Okay-R, jetzt kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Viel Spaß und Erfolg beim systematischen Erreichen Eurer Ziele!
No single factor has more impact on employee engagement than clearly defined goals that are written down and shared freely.
Deloitte Review (2015)
Okay-R, jetzt kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Viel Spaß und Erfolg beim systematischen Erreichen Eurer Ziele!
- Objectives & Key Results sind eine vor allem im agilen Kontext eingesetzte Methode, um Ziele zu erreichen.
- Dabei arbeiten im Idealfall alle Teams in einer Organisation auf Vision und Mission, Strategie und mittelfristige Ziele eines Unternehmens hin.
- OKR werden in Zyklen von 3 bis 4 Monaten verfolgt, danach geht es von vorn los.
- Bei der Formulierung der Objectives sollte Dein Team den Outcome, also den Mehrwert beschreiben, der durch Euer Tun erreicht wird. Die Key Results definieren den Output, also messbare Ergebnisse.
- Es ist wichtig, innerhalb des Zyklus regelmäßig Euren Fortschritt zu messen, am besten zusammen mit einem erfahrenen OKR Master (m/w/d).