Landwirtschaft 4.0: hochmodern mit Umwelt-Flavour
Bauernhof… das klingt nach ländlicher Idylle, in der die Zeit irgendwie stehen geblieben ist. Und Landwirt:in, das ist ein echter Knochenjob – oder doch nicht? Willkommen auf dem Bauernhof 4.0! Hier betrittst Du eine Welt, die alles andere als altmodisch ist.
Durch den Einsatz von IoT, KI, Drohnen, Robotik und Big Data sind viele Bauernhöfe heute bereits moderner als so manches Unternehmen. Im Bereich der Agrartechnik wird schon seit vielen Jahren an computergestützten Methoden zur Effizienzsteigerung getüftelt. Dabei sind einige bahnbrechende Entwicklungen zustande gekommen, die den Arbeitsalltag von immer mehr Bauern grundlegend verändern: Laut einer Bitkom-Studie glauben 90 % der Landwirt:innen, dass in der Digitalisierung ihrer Arbeit entscheidendes Zukunftspotenzial steckt.
Die “Dritte Grüne Revolution” – nach Traktoren und später der Gentechnik – ist in vollem Gange: Schon heute setzt jede zweite Landwirt:in in Deutschland digitale Technologien auf dem Hof ein – und profitiert auf lange Sicht davon. Denn sind die hohen Implementierungskosten erstmal bewältigt, rechnet sich Smart Farming auf jeden Fall – für den Landwirtschaftsbetrieb, aber auch für die Umwelt.
Quelle: bitkom.org, redaktionell bearbeitet von get in IT
Wir Verbrauchenden profitieren ebenfalls enorm von Effizienzsteigerungen in der Landwirtschaft: Im Jahr 1900 konnte eine Landwirt:in vier Personen ernähren, heute 140. Dabei steigt die Qualität der Lebensmittel durch die Digitalisierung an. Dafür verantwortlich sind präzise Technologien und umfangreiche Datensätze. Für Dich als IT-Talent gibt es in der Landwirtschaft also eine Menge zu tun – tauchen wir ein in die Welt des Bauernhof 4.0!
Die Digitalisierung der Landwirtschaft: Was ist Digital Farming?
Let’s get digital! Man muss sich mal vorstellen, was auf einem gewöhnlichen Bauernhof täglich an Arbeit anfällt: Sieben Tage in der Woche um 5 Uhr früh aufstehen, die Kühe melken, füttern und tränken, sie im besten Fall auf die Weide bringen, vielleicht noch andere Tiere versorgen, Felder bestellen, Reparaturarbeiten, den Ertrag einfahren und verkaufen… im Arbeitsleben von Familien mit Bauernhöfen und Landwirtschaftsbetrieben steckt unheimlich viel Planungs- und Koordinationsaufwand – von der körperlichen Plackerei mal ganz zu schweigen. Dabei sind die Erfolge der harten Arbeit abhängig von externen Faktoren wie Wetter, Bodenfruchtbarkeit, Klimawandel, Marktpreisen und anderen Widrigkeiten. Lange galt das Bewirtschaften von Bauernhöfen nicht gerade als attraktiver Beruf. Das könnte sich jedoch ändern. In der modernen Landwirtschaft braucht man heute vor allem eins: Digitalkompetenz! Dafür können Landwirt:innen morgens ein wenig länger liegen bleiben und trotzdem mehr Gewinne generieren.
Der Umstieg von Pferden und Ochsen auf Traktoren für die Feldarbeit war ein Meilenstein für die Landwirtschaft. Und trotzdem nicht zu vergleichen mit dem Potenzial der Digitalisierung. Denn durch die Verbindung von computergesteuerten Systemen, Robotik und großen Datenmengen lässt sich eine nie dagewesene Präzision in die Landwirtschaft bringen: Precision Farming eben. Wie genau sieht das aus?
Ein Blick in die Präzisionslandwirtschaft
Karten, Daten, exakte Saaten: So geht Smart Farming!
Drohnen machen Luftaufnahmen der Felder und senden diese an das zentrale System, das daraus Applikationskarten erstellt. Auf diesen wird die Fläche in kleine Quadrate zerlegt, die einzeln betrachtet werden. Das System berücksichtigt dabei alle Daten, die es zu dem Acker gibt: Ertrag, Topographie, Boden- und Geländebeschaffenheit, Humusgehalt, Bodenfeuchte, Biomasseverteilung usw. Das System ermittelt die exakte Menge an Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie Bewässerungsbedarf für jedes Quadrat. Denn der Boden ist nicht an jeder Stelle gleich ertragreich und braucht deshalb nicht überall dieselben Mengen. Außerdem werden Wetterdaten und historische Daten in die Berechnung mit einbezogen. Beim Smart Farming werden also alle verfügbaren Informationen genutzt, vernetzt und mit modernen Techs verknüpft. Alle involvierten Maschinen und Programme kommunizieren miteinander. So lässt sich der Anbau intelligent an innere und äußere Bedingungen anpassen.
Von der Maloche- zum Managementjob? Automatisierung und die Cloud machen’s möglich!
In Echtzeit können Bauern und Bäuerinnen an Tablets oder Handys die kameragesteuerte Düngestreuung über die Maschine oder die Schädlingsbekämpfung via Drohne verfolgen und die Mengen anpassen, falls es nötig ist – Mensch und Maschine arbeiten Hand in Hand und äußerst effektiv. Wer mehrere Felder besitzt, verknüpft die Daten in der Cloud miteinander und stimmt den Bearbeitungsstatus der Ackerflächen, den Materialbedarf und die Koordination der Maschinen untereinander ab. Denn Precision Farming bedeutet auch das Management des Informationssystems, um effizient auf räumliche und zeitliche Abweichungen reagieren zu können. Durch das Monitoring des kompletten Fuhrparks, das ebenfalls über das System abgewickelt wird, können Abweichungen an der Leistung der Maschinen früher festgestellt werden, denn auch sie schicken ständig Daten. So verringern sich die Ausfälle im Fuhrpark.
Insgesamt werden durch Smart Farming eine Menge Ressourcen gespart – laut der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft zum Beispiel ca. 10 % Herbizide und 20 % Treibstoff. Durch die präzise Ermittlung der erforderlichen Einsatzmengen verringert sich die Belastung von Böden, Grundwasser und Luft. Die genauen Mengen an organischen und anorganischen Zugaben werden dokumentiert und können so für Umweltanalysen herangezogen werden. Die Umwelt dankt, der Verbrauchende ebenso: Denn wo Daten gesammelt werden, lassen sich die Rohstoffe und Verarbeitungsschritte eines Produkts genau nachvollziehen, und das wollen wir heute. Als Herstellende haben die Landwirt:innen die Möglichkeit, ihre Produktion durch den Datenaustausch mit Zwischenhandel und Verkäufer:innen mit der Nachfrage in Einklang zu bringen.
So wie in unserem Szenario könnte es 2030 auf fast der Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe aussehen:
Quelle: bitkom.org, redaktionell bearbeitet von get in IT
Zurück aufs Feld. Dort laufen die automatisch gesteuerten Landmaschinen wie am Schnürchen – mit einer maximalen Abweichung von zwei Zentimetern steuern Satelliten den Pflug autonom durch die Spur. In den vergangenen zwanzig Jahren wurden überall an Ackerflächen Spezialsender angebracht, um eine genauere Steuerung von Traktoren zu gewährleisten, als das mit einem herkömmlichen GPS möglich wäre. Das sorgt für eine unglaubliche Präzision der Traktoren. Die ebenfalls Spezial-GPS-gestützten Mähdrescher unterdessen ernten nicht nur einfach, sondern sammeln unentwegt Daten über die Erträge jedes einzelnen Quadratmeters. Intelligente Sensoren messen den Stickstoffgehalt des Bodens, die vorhandene Pflanzenmenge auf dem Teilstück, etwaigen Krankheitsbefall und den Stand der Verunkrautung. Dann kommt der kleine, leichtgewichtige Feldroboter zum Einsatz, gesteuert aus der Cloud, wo er mit Daten über Saat- und Düngemuster versorgt wird und den Auftrag zum Ausrupfen des Unkrauts bekommt.
Der Roboter als Kuhflüsterer
Im Stall sieht man Landwirt:innen nur noch selten. Das Melken der Kühe übernimmt der Melkroboter, der über KI-Steuerung verfügt und die Kühe für ihre Milch belohnt und sogar pflegt. Wie funktioniert das? Im Halsband der Kuh ist ein Chip, der ihre persönlichen Daten trägt. Dieser ist mit dem Melkroboter verbunden, bei dem die Kuh sozusagen eincheckt, wenn ihr Euter voll ist. Während die Kuh ihr Belohnungs-Kraftfutter schlemmt, geht der Melkroboter ans Werk: Er überprüft, wie viel Milch die Kuh schon gegeben hat – und verweigert ihr das Futter, wenn sie nur deshalb cheaten kommt – melkt sie und sammelt dabei Daten über die Milchmenge des Tages, aber nicht nur insgesamt, sondern pro Zitze. So kann er feststellen, ob irgendwo etwas entzündet ist und deshalb klemmt und diese Information direkt an die Landwirt:in senden. Am Ende des Melkvorgangs versorgt der Roboter die Kuh mit einem Euterpflegeöl, das der Bildung von Bakterien vorbeugt. Der Futterroboter ist ebenfalls mit den Tierdaten ausgestattet und weiß daher nicht nur, welche Kuh welche Futterzusammensetzung bekommt, sondern merkt auch, wenn ein Tier nicht mehr frisst, denn das Gewicht wird, wie andere Vitaldaten auch, ebenfalls vermerkt. Kranke Kühe werden identifiziert und gezielt behandelt, anstatt “auf gut Glück” dem ganzen Stall Antibiotika zu verabreichen. Der Chip am Hals misst außerdem permanent die Temperatur der Kuh und weiß daher, wann sie trächtig werden kann – diese Info bekommt nicht nur die Landwirt:in, sondern auch die verantwortliche Tiermediziner:in. Je stärker die Landwirtschaft untereinander vernetzt ist, desto intensiver kann solch ein System natürlich ineinander greifen.
Digital Farming – diese Jobs übernehmen Informatiker:innen in der Landwirtschaft 4.0
Du siehst, überall in der Landwirtschaft ergeben sich für Dich als IT-Talent eine Menge spannender Herausforderungen mit einer Umweltkomponente, die in den meisten IT-Branchen eine Seltenheit ist. Dabei eignen sich digitale Technologien nicht nur für die konventionelle Landwirtschaft. Auch und gerade der Ökologische Landbau ließe sich mit Precision-Farming-Methoden optimal aufstellen. Stell Dir mal vor, zu welchen Innovationen Du hier als Informatiker:in beitragen könntest!
Wenn Dir schon zu Studienzeiten klar ist, dass Du Dein Talent in der Landwirtschaft einsetzen willst, studierst Du am besten Agrarinformatik, eine Teildisziplin der angewandten Informatik, die an manchen Unis angeboten wird “KI in der Agrartechnik” ist zum Beispiel seit 2019 ein neuer Studiengang an der Uni Hohenheim. Auch die Uni Düsseldorf forscht mit ihrem Exzellenzcluster für Pflanzenwissenschaften (CEPLAS) umfangreich zu Themen wie Robotik auf dem Acker und modernen Methoden der Pflanzenzucht. Die Uni Bonn arbeitet gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich an einem großen Robotik-Projekt namens “PhenoRob”, für das Fördergelder in Millionenhöhe fließen, und die Studierenden können sich auf Projektfeldern richtig austoben.
Aber natürlich kannst Du auch ohne einen landwirtschaftlichen Hintergrund in der Agrarinformatikbranche durchstarten. Du kannst entweder als Entwickler:in auf den Gebieten IoT, KI und Robotik einsteigen oder aus der Big Data-Welt kommen und damit zum Beispiel als Data Analyst oder Datenbankentwicklerin loslegen. Neben großen Smart-Farming-Playern wie John Deere, CLAAS, AGCO/Fendt oder Deutz-Fahr etablieren sich auch spannende Startups wie zum Beispiel Anbieter mobiler Bodenanalysen mittels Sensortechnologie, Fütterungssoftware-as-a-Service für Kühe oder neue Player, die maßgeschneiderte Precision-Farming-Lösungen anbieten.
Auch als IT-Consultant kannst Du in der Landwirtschaft Fuß fassen, denn einen kompetenten Rat, welche Technologien die richtigen für ihren Hof sind, brauchen viele landwirtschaftlichen Betriebe. Die jüngeren Landwirt:innen sind in der Regel sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Techs und auch recht fit im Umgang mit der entsprechenden Hard- und Software. Betriebe, die jahrhundertelang traditionell gewirtschaftet haben, hegen allerdings auch nachvollziehbarer Weise ein gewisses Misstrauen gegenüber Anbietenden teurer Standardsoftware. Hier kannst Du eine Menge Vertrauensaufbau und Wissenstransfer leisten, die individuellen Höfe analysieren und den Landwirt:innen maßgeschneiderte Lösungen an die Hand geben.
In diesem Zusammenhang darf ein Hauptargument, das bei Landwirt:innen Skepsis gegenüber Big Data auf dem Bauernhof hervorruft, nicht unerwähnt bleiben: Datenschutz. Viele Bauern und Bäuerinnen befürchten, dass ihre Informationen in die falschen Hände geraten – und haben damit leider nicht immer Unrecht. Für Dich als IT-Security Consultant gibt es in dem Feld also ebenfalls einiges zu tun – und eine Menge zu bewegen!
- Jede zweite Landwirt:in setzt inzwischen auf digitale Technologien wie Smart und Precision Farming zur Unterstützung seiner Arbeit; 90 % der Landwirt:innen halten dies für den richtigen Weg.
- In der Landwirtschaft kommen spannende, zukunftsweisende Techs wie KI, IoT und Sensorik, Robotik und Big Data zum Einsatz.
- Du kannst als Entwicklerin, aber auch als Data Analyst oder IT Consultant in der Branche einsteigen und mit Deinem Einsatz etwas für die Umwelt und nachhaltige Lebensmittelversorgung der Gesellschaft tun!