Industrie 4.0 – Wandel in der Industriebranche

Informatiker:innen und Ingenieur:innen treiben Seite an Seite die Digitalisierung der Unternehmen voran

Sonja Engels
Tablet mit AR-Ansicht einer Maschine

Fabriken, die auf Knopfdruck selbständig Güter herstellen. Autos, die mehr Daten versenden, als Dein Smartphone und untereinander kommunizieren. Die sogenannte Industrie 4.0 katapultiert neue Technologien und IT-Lösungen aus den Universitätslaboren in die Produktionshallen und die dort entstehenden Produkte. Sie verzahnt die Produktion mit Informations- und Kommunikationstechnik. Dadurch lassen sich u.a. die Produktionskosten minimieren, die Fertigungszeiten reduzieren, die Lieferketten werden transparenter und die Prozesse von der Bestellung bis zur Auslieferung vollautomatisiert. Vor diesem Hintergrund spricht man auch von der Vierten industriellen Revolution – nach den vorangegangenen maschinellen, elektrischen und programmgesteuerten Innovationen, die der Industrie einen Entwicklungsschub verpasst haben. Der Begriff der Industrie 4.0 wurde ursprünglich von den Physikern Henning Kagermann und Wolf-Dieter Lukas und dem Informatiker Wolfgang Wahlster geprägt wurde.

Als IT-Talent, das sich mit Cloud Computing, Big Data und IT-Security auskennt, hast Du sehr gute Berufsaussichten. Wo Du mit Deinem IT-Abschluss in der Industrie arbeiten und worauf Du Dich dabei spezialisieren kannst, erfährst Du hier.

Welche Technologien stehen für die Industrie 4.0?

Die vierte industrielle Revolution, ist die der cyber-physischen Systeme, der Vernetzung und der digitalen Technologien. Sie prägt das 21. Jahrhundert an allen Ecken und Enden, so wie die erste bis dritte industrielle Revolution die vorherigen Jahrhunderte geprägt haben:

  • 18. Jahrhundert // Erste industrielle Revolution: Mechanisierung durch Wasser und Dampfkraft
  • 19. Jahrhundert // Zweite industrielle Revolution: Massenproduktion und elektrische Energie
  • 20. Jahrhundert // Dritte industrielle Revolution: Automatisierung durch Elektronik und IT

Der Begriff Industrie 4.0 wurde ursprünglich von den Physikern Henning Kagermann und Wolf-Dieter Lukas und dem Informatiker Wolfgang Wahlster eingeführt. Sie ist geprägt durch einige Kerntechnologien, die Du als IT-Talent nur allzu gut kennst:

Internet der Dinge

Das Internet of Things (kurz: IoT) kennst Du als Sammelbegriff für die Vernetzung von physischen und virtuellen Gegenständen über das Internet. Was nun die Industrie 4.0 zur Smart Industry macht, ist das Industrial Internet of Things (IioT). Hier geht es insbesondere um die digitale Vernetzung von Anlagen und Systemen, die z. B. mit Sensoren und Gateways verbunden sind und so automatisiert und datengetrieben online gesteuert und überwacht werden können. Auch im hergestellten Produkt kommen IT-Lösungen zum Einsatz: Mittels Sensoren und Embedded Systems definierst Du Funktionsspektren und die technischen Eigenschaften der hergestellten Waren.

Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen

Die Maschine ist kaputt, das Ersatzteil hat eine Lieferzeit von mehreren Wochen – so ein Produktionsausfall kann für ein Business dramatische Folgen haben. In der Industrie 4.0 können intelligente Systeme automatisiert Prozesse optimieren und Entscheidungen auf Grundlage von Echtzeitdaten selbstständig treffen. So ermöglichen selbstlernende Systeme z. B. Predictive Maintenance (Vorausschauende Wartung): Sie werten historische Daten und Echtzeitdaten aus und sollen so bspw. Störungen voraussagen, Verschleißteile rechtzeitig melden und optimierte Wartungsintervalle bestimmen.

Big Data und Analytics

Dafür ist natürlich auch die Sammlung ziemlich großer Datenmengen notwendig: Die können dann nicht nur zur Vorhersage von Problemen, sondern genauso zur Optimierung von Produktionsabläufen oder Prognosen von Markttrends genutzt werden.

Cloud Computing

Dein Team benötigt kurzfristig mehr Rechenleistung? Cloud Computing revolutioniert die Art und Weise, wie Unternehmen IT-Ressourcen nutzen, indem es Rechenleistung, Speicher und Anwendungen über das Internet bereitstellt. Anstatt eigene Server zu kaufen und zu warten, können Unternehmen flexibel auf Cloud-Dienste zugreifen und nur für die Ressourcen bezahlen, die sie tatsächlich nutzen. Als Entwickler:in kannst Du z. B. Entwicklungsumgebungen, Datenbanken und Testserver innerhalb weniger Minuten in der Cloud einrichten und skalieren.

Cyber-physische Systeme (CPS)

Autonome Fahrzeuge, die mithilfe von sensorischen und GPS-Daten durch eine vernetzte Infrastruktur navigieren und ihre Route dabei in Echtzeit anpassen: In der Smart Factory kommunizieren Maschinen und Roboter permanent miteinander. Cyber-physische Systeme kombinieren physische Geräte und digitale Technologien, um intelligente Systeme zu schaffen, die in Echtzeit interagieren. Diese Systeme kombinieren Sensoren, Aktoren und Computer, um physische Prozesse zu überwachen und zu steuern. Im Unterschied zum IoT geht es hier also nicht in erster Linie um die Vernetzung, sondern die Steuerung physischer Prozesse in Echtzeit. Das ist häufig komplexer.

AR und VR

Nach dem letzten Update fliegt aus irgendeinem Grund das gesamte System in die Luft – die absolute Horrovorstellung! Dank Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) kannst Du das verhindern, indem Du Software zuerst in einer Simulation testest. Noch eine Vision, aber nur noch eine Frage der Zeit: AR-Debugging. Dein KI-unterstütztes AR-Headset macht Dich im Voraus auf fehlerhafte Stellen im Code aufmerksam. Andere Möglichkeiten sind z. B. die Zusammenarbeit in immersiven Umgebungen mit Kolleg:innnen auf der ganzen Welt oder IT-Support mithilfe von AR.

Ein Blick in die Zukunft: 5G, Edge Computing, Nachhaltigkeit

In der Smart Factory sind die Produktionsstätten also automatisiert, vernetzt und flexibel. Maschinen und Systeme kommunizieren in Echtzeit und können so deutlich einfacher auf individuelle und sich verändernde Anforderungen eingehen. Im besten Fall organsiert sich die Produktion hier ohne menschlichen Eingriff selbst. Für die Zukunft solltest Du aber definitiv auch noch diese Technologien auf dem Schirm haben:

  • 5G, die fünfte Generation der Mobilfunktechnologie, ist ein zentraler Treiber für die Industrie 4.0. Mit wesentlich höheren Datenübertragungsraten und deutlich geringeren Latenzzeiten als die bisherigen Mobilfunkstandards ermöglicht 5G eine nahezu sofortige Kommunikation zwischen vernetzten Geräten. Das bedeutet, dass riesige Datenmengen in Echtzeit ausgetauscht werden können.

  • Edge Computing bringt die Datenverarbeitung näher an die Quelle der Datenentstehung. Anstatt alle Daten zu zentralen Rechenzentren zu schicken, werden sie direkt an der "Edge" des Netzwerks, also nahe der Datenquelle, verarbeitet. Dies reduziert die Latenz und die Bandbreitenanforderungen erheblich und ermöglicht schnellere Reaktionszeiten.

  • Langfristig hat auch die Fokussierung auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz immer größere Bedeutung. Unternehmen werden verstärkt auf Technologien setzen, die den Energieverbrauch reduzieren und den Einsatz von Materialien optimieren. Dies umfasst die Nutzung von erneuerbaren Energien, die Implementierung energieeffizienter Prozesse und die Entwicklung von Produkten, die leichter recycelbar sind.

Die Vorteile der neuen Möglichkeiten liegen auf der Hand: Effizienzsteigerung und Kostenreduktion; Personalisierte Produkte und Dienstleistungen und bessere Entscheidungsgrundlagen durch die permanente Erfassung und intelligente Auswertung von riesigen Datenmengen. Aber es gibt natürlich auch Herausforderungen:

Einerseits – wie in allen Big-Data-Szenarien – den Datenschutz: Sensible Daten müssen vor Missbrauch und Cyberangriffen geschützt werden. Ein Unternehmen kann seine bestehende Infrastruktur nicht mal ebenso auf „smart“ umstellen. Hier ist eine großangelegte Modernisierung notwendig. Dabei müssen alte und neue Systeme miteinander harmonieren. Das stellt umfassende Anforderungen an die Business Support-IT auf: intelligente IT-Lösungsarchitekturen für geschäftskritische Prozesse - vom Dokumentenmanagement bis hin zu komplexen Netzwerkmanagement-, Cloud-, Analyse- und Sicherheitslösungen.

Wo kannst Du arbeiten?

Wie es Revolutionen so an sich haben, sorgt auch die vierte industrielle Revolution für tiefgreifende Umbrüche in der gesamten Industrie. In diesen Branchen kannst Du heute schon Teil der Zukunft sein:

Automobilindustrie: Vernetzte Fahrzeuge und intelligente Produkionssysteme

In der Automobilindustrie hast Du es sowohl auf Produkt- als auch auf Produktionsseite mit allen möglichen „smarten“ Technologien zu tun. Autonome und vernetzte Autos sammeln und verarbeiten riesige Datenmengen in Echtzeit, um die Sicherheit und das Fahrerlebnis zu verbessern. In den Produktionsstätten kommen Roboter und künstliche Intelligenz zum Einsatz, um Fertigungsprozesse zu automatisieren und zu optimieren.

Logistik und Supply Chain Management

In der Logistik und im Supply Chain Management ermöglicht Industrie 4.0 eine nahtlose Integration und Optimierung der gesamten Lieferkette. Echtzeit-Tracking von Waren und Fahrzeugen verbessert die Transparenz und Effizienz. IoT-Sensoren überwachen den Zustand von Produkten während des Transports, um sicherzustellen, dass sensible Waren wie Lebensmittel oder Medikamente unter optimalen Bedingungen gelagert und transportiert werden. Automatisierte Lagersysteme und Drohnen beschleunigen die Lagerhaltung und Auslieferung.

Fertigungsindustrie

Die Fertigungsindustrie wird durch Industrie 4.0 grundlegend transformiert. Intelligente Fabriken (Smart Factories) nutzen vernetzte Maschinen und Cyber-physische Systeme, um Produktionsprozesse zu automatisieren und zu optimieren. Dank 3D-Druck und additiver Fertigung können komplexe Bauteile ganz flexibel direkt vor Ort hergestellt werden. Das verkürzt die Lieferketten und beschleunigt die Produktentwicklung: Du gibst beim Online-Einkauf Deine Produktwünsche an, die laufen sofort in der Smart Factory ein, werden dort umgesetzt und Dein individuelles Produkt produziert.

Energiewirtschaft

Die Energiewirtschaft profitiert von Industrie 4.0 durch die Einführung intelligenter Netze (Smart Grids) und vernetzter Energieerzeugungs- und -verbrauchssysteme. Smart Grids ermöglichen eine effizientere und flexiblere Steuerung des Stromnetzes, indem sie Daten von Millionen von Sensoren in Echtzeit analysieren. Dies führt zu einer besseren Integration erneuerbarer Energien und einer stabileren Energieversorgung. Intelligente Zähler (Smart Meter) erlauben es sowohl Dir als Verbraucher:in als auch Deinem Energieversorger, den Energieverbrauch zu überwachen und zu optimieren.

Was kommt auf Dich zu?

Je mehr die gesamte industrielle Wertschöpfungskette digitalisiert und optimiert wird, desto vielfältiger werden Deine zukünftigen Jobprofile als IT'ler:in. Corporate-IT geht Hand in Hand mit der Produkt-IT. Du entwickelst beispielsweise Komponenten und Apps, die für die “Digital Customer und Service Experience” notwendig sind. Darunter versteht man die digitale Kundenbeziehung. Das heißt, dass im Gegensatz zu isolierten Kommunikationskanälen eine umfassende, databasierte Beziehung zum Kunden entstehen soll, um die Kundenbindung an das Unternehmen bzw. dessen Marken zu stärken.

Im Bereich Smart Factory kannst Du z.B. als Machine-to-Machine-Software-Entwickler:in (M2M) tätig werden: Du programmierst smarte Produktionsanlagen, die autonom miteinander kommunizieren und interagieren können. Du stellst den automatisierten Informationsaustausch zwischen verschiedenen Endgeräten sicher, wie z.B. Maschinen, Automaten, Fahrzeugen oder Containern – entweder untereinander oder mit einer zentralen Leitstelle. Die eingebetteten Systeme bilden jedoch auch einen Angriffspunkt. Als IT-Sicherheitsexpert:in schützt Du Produktionsanlagen vor Schadcode und Hackerangriffen.

Beide Berufe kannst Du auch im Kontext Produkt-IT ausüben. Du programmierst auf der einen Seite zum Beispiel Embedded Software in einem vernetzten Auto, sprich softwaregesteuerte, verteilte Systeme wie ABS, adaptives Fahrwerk oder Tempomat. Auf der anderen Seite sorgst für die Sicherheit der entsprechenden Software oder Du wirkst als Human-Machine Interaction Designer:in bei der intuitiven, effizienten Gestaltung der Benutzeroberfläche von smarten Produkten mit.

In der Business Support-IT bist Du als Spezialist:in für Cloud Lösungen sehr gefragt. Zum Beispiel ist Deine Aufgabe als Cloud Architect die Migration in den Datenspeicher zu leiten und für die Ausfallsicherheit, das Design und die Verwaltung der Speicher-Umgebung zu sorgen. Im gesamten Kontext der Industrie 4.0 fallen gewaltige Datenmengen an, die Du als Big Data Scientist auswertest, interpretierst, zielgruppengerecht aufbereitest und weiterverwendest.

Du suchst einen Berufseinstieg in der Automobilindustrie, der Telekommunikationsbranche oder der Energiewirtschaft? Angehende Experten für Big Data, IT-Security oder Cloud Computing haben in der Industrie 4.0 sehr gute Berufsaussichten. Bei uns findest Du industrielle Unternehmen, die IT-Talente wie Dich suchen.

TL;DR:
  • Die Industrie 4.0 steht für neue Technologien und IT-Lösungen. Dort geht die Produktion Hand in Hand mit State-of-the-Art Kommunikations- und Informationstechnik.
  • Spannende Berufsaussichten in der digitalisierten Industrie hast Du vor allem in den Bereichen Cloud Computing, Big Data und IT-Security.
  • Smart Factory, Produkt-IT und Business Support-IT sind die drei Kernfelder, in denen Du die smarte Vernetzung und Optimierung von Design, Konstruktion und Produktion vorantreibst.
  • Es gibt ein breites Einsatzfeld in der Industrie 4.0: Nicht nur in Produktionsanlagen und Fertigungsbetrieben, sondern auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur bis zu IT-Security-Unternehmen.