Logistik 4.0 – Digitale Transformation in der Logistikbranche
Morgens im Internet bestellt, abends geliefert. Amazon oder Zalando werben mit Lieferzeiten unter 24 Stunden und kostenlosen Retouren. Als Konsumierende sind wir inzwischen verwöhnt und unsere Ansprüche sind hoch. Aber wie funktioniert die Logistik, die dafür sorgt, dass Du z.B. auch abends vor vollen Supermarktregalen stehst? In der Logistik dreht sich alles um Waren-, Personen- und Informationsströme. Und dabei kommt jede Menge IT zum Einsatz. Sie stellt sicher, dass Prozesse effizient ablaufen und dass stets die erforderliche Menge benötigter Ware oder Material zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität am richtig Ort bereit steht.
Transportroboter im Lager, automatische Planung der Touren, Blockchain-Technologie für Frachtbriefe, KI-basierte Systeme zur Simulation von Liefernetzen – die Digitalisierung betrifft jeden Bereich in der Logistik. Dabei sind Industrie und Logistik eng miteinander verknüpft. Deshalb bezieht sich der Begriff Logistik 4.0 auch nicht nur auf die technologische Entwicklung in der Logistik. Logistik 4.0 ist die Grundlage für ein ganzheitliches, digitales Supply Chain Management und sie ist eine tragende Säule für die Umsetzung der Industrie 4.0. Durch die Zusammenarbeit von vernetzten und dezentralen Systemen wie Robotern und intelligenten Fahrzeugen in Echtzeit, können effizientere Lösungen entwickelt werden. Die Logistik 4.0 verzahnt Prozesse und Objekte und sie vernetzt alle Stationen der Lieferkette. Von der Herstellung über die (Zu)Lieferung, den Groß- und Einzelhandel, Logistikdienstleistungsunternehmen und Kund:innen sind alle durch Informations- und Kommunikationstechnik miteinander verbunden.
An welchen Stationen Du Dein IT-Talent einsetzen kannst und Wertschöpfungsketten optimierst oder zu wertschöpfenden Netzwerken zusammenfasst, erfährst Du hier.
Die Bereiche der Logistik 4.0
Die Logistikbranche ist immer auf auf der Suche nach neuen Technologien und Trends, um ihre Abläufe digitaler und damit effizienter zu machen. Ob 3D-Druck von Ersatzteilen, Drohnen, die Lagermitarbeitende unterstützen, bis zu Big Data, um Lastspitzen vorauszusehen und auf diese vorbereitet zu sein. Die Logistik ist deutlich digitaler, als Du vielleicht denkst. Transport- und Logistikunternehmen zählen zu den digitalen Vorreitern im Mittelstand. Werfen wir am besten gleich einen Blick auf die verschiedenen Bereiche der Logistik und wie dort schon heute smarte Lösungen die Abläufe beschleunigen und optimieren.
1. Lagerlogistik
In den Lagerhallen von Amazon und Co. legen die Mitarbeitenden am Tag etliche Kilometer zurück. Vor allem die Kommissionierung, also die Zusammenstellung von Waren, ist sehr individuell und ließ sich in der Vergangenheit schwer automatisieren. Dank smarter IT werden Lagermitarbeitende inzwischen von intelligenten Sortier-Robotern und selbstfahrenden Gabelstaplern unterstützt. Der Einsatz von Robotern lässt sich bei Spitzenlasten skalieren und die Software, die dahinter steckt, ist innerhalb weniger Wochen einsatzbereit – im Gegensatz zu Anlagen, bei denen die Bauzeit mehrere Jahre dauern kann. Beim “Picking” zeigen AR-Datenbrillen Mitarbeitenden an, welche Waren oder Ersatzteile in welcher Stückzahl sie packen müssen, oder erinnern sie daran, falls sie etwas vergessen sollten. Außerdem optimieren die Pick-by-Vision-Brillen die Laufwege und Kommissionierer:innen müssen nicht mehr wissen, wo die Ware liegt. Auch der Handscanner ist überflüssig: Er wird durch einen Handschuh mit integrierter Scanner-Funktion ersetzt. Das daran angeschlossene Warehouse-Management-System finalisiert den Auftrag und löst automatisch Nachbestellungen aus.
Cloudbasierte Software-as-a-Service-Lösungen, z.B. die SAP S/4 HANA aktualisieren Aufträge und Bestände in Echtzeit und minimieren Fehler z.B. bei Schichtwechseln. Gerade bei der Just-in-Sequence-Versorgung in der großseriellen Fertigungen wie in der Automobilindustrie werden Engpässe verhindert.
2. Distributionslogistik
Per Flugzeug, dem Schiff, auf der Schiene oder Straße – Material und Ware müssen sicher, schnell und kostengünstig zu ihrem Empfänger befördert werden. Steigende Treibstoffpreise, Emissionssenkung und die Corona-Pandemie haben gezeigt, wie fragil Lieferketten sind. Direkt aus der Smart Factory, dem Smart Port oder aus dem Lager führt der Weg über die Schiene oder Straße zum Ziel. Für eine bessere Auslastung berechnen Transport-Management-Systeme (TMS) die optimale Route und berücksichtigen dabei Verkehrsvorhersagen, aber auch Umwelteinflüsse und geben die Informationen in Echtzeit an das Telematiksystem im Führerhaus an die LKW-Fahrer:in weiter. GPS und und mobile Daten übermitteln dem Empfänger ebenfalls in Echtzeit die ETA, also die voraussichtliche Ankunftszeit am Zielort. Vice versa wird der Fahrer über die voraussichtlichen Wartezeiten am Zielort auf dem Laufenden gehalten. Das Telematiksystem leitet die Wartezeiten automatisch an das TMS weiter. Bei langen Wartezeiten zum Entladen kann das TMS eine Umroutung vornehmen. Möglich wird dieses Kommunikationsnetz, weil alle Beteiligten dieselben Live-Daten teilen und durch Schnittstellen miteinander verbunden sind. So werden transparente und effizientere Prozesse in der Distributionslogistik möglich.
Die Digitalisierung verbessert also einerseits die Prozesse und Abläufe in der Warendistribution selbst. Mit dem SAP Transportation Management (SAP TM) erfassen Unternehmen Aufträge, planen optimierte Routen und erstellen Abrechnungen.
Auf der anderen Seite steht die Digitalisierung der Transportmittel. Bei dieser steht neben der Zeiteffizienz vor allem das Sparen von Ressourcen im Vordergrund. Beim “Platooning” fahren LKW in Kolonne und nutzen den Windschatten, um Treibstoff zu sparen. Die Fahrzeuge sind dabei über WLAN miteinander verbunden und können so den nötigen Abstand einhalten bzw. rechtzeitig reagieren. Auch auf der Schiene automatisieren smarte Lösungen Abläufe, die sonst oft Verzögerungen auslösen. Die kosten wiederum Zeit und Geld. Digitale, automatischen Kupplungen verkürzen Rangierabläufe. Güterzüge mit dieser neuen Kupplungstechnik werden außerdem länger und können mehr Ware transportieren. Mit Sensoren ausgestattete intelligente Paletten und Container geben Auskunft über ihren Aufenthalt und bald auch über den Zustand ihrer Ware. Melden sie z.B. Erschütterungen oder starke Temperaturschwankungen wird die Qualitätssicherung frühzeitig informiert und defekte Teile gelangen erst gar nicht in die Fertigung.
3. Informationslogistik
Der Grundsatz der Logistik: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, gilt auch für Daten. Damit komplexe Lieferketten funktionieren, müssen alle relevanten Daten im richtigen Format für die Personen, die sie benötigen, verfügbar sein. IT-Profis sorgen dafür, dass alle Informationen und Daten, die für das Erreichen der logistischen Ziele notwendig sind, zum richtigen Zeitpunkt bereitstehen und zwar innerbetrieblich und unternehmensübergreifend. Denn in der Industrie 4.0 bzw. Logistik 4.0 sind alle Stationen, von der Produktion bis zur Lieferung miteinander vernetzt. Die Informationslogistik berücksichtigt auch, dass nicht jede Information denselben Stellenwert für die einzelnen Akteure besitzt und vermeidet unnötige Datenübermittlungen und Redundanzen.
Über Electronic Data Interchange (EDI)-Systeme werden Informationen und Daten z.B. zu Transport- und Sendungsstatus, Lieferavise oder Transportaufträge papierlos und vollautomatisiert an die Geschäftspartner übermittelt.
Was kommt auf Dich zu?
Die digitale Transformation findet in der Logistikbranche auf allen Ebenen statt und ist wie Du gesehen hast, eng verbunden mit der Industrie 4.0, der Smart Factory. Entsprechend vielseitig sind Deine Einstiegsbereiche mit einem Informatik-Abschluss.
In diesen Einsatzfeldern kannst Du mit Deinem IT-Wissen an den Trends von morgen mitarbeiten:
- Künstliche Intelligenz: KI verändert die logistischen Prozesse nachhaltig, denn: autonome Fahrzeuge übernehmen die Arbeit in Lager und Umschlagzentren. Roboter be- und entladen, navigieren und kommissionieren selbstständig. KI kann aber noch mehr: Als KI-Entwickler:in trainierst Du intelligente Algorithmen, die den Warenfluss optimieren, Inventarkosten reduzieren und Transport und Lieferung beschleunigen, indem sie z.B. die Nachfrage exakt prognostizieren. KI macht die Logistikbranche agil.
- Big Data: In der Logistik 4.0 fallen gewaltige Datenmengen an, die Du als Data Scientist auswertest, interpretierst und dazu nutzt, das Supply Chain Management-System weiterzuentwickeln. Mit dem Fokus auf IT-Sicherheit garantierst Du, dass die Daten nicht in falsche Hände geraten.
- IoT: Tracking mit Strich- oder QR-Code oder kontaktloses Erfassen mit RFID (Radio Frequency Identification) – IoT wurde in der Logistik schon früh eingesetzt. Heute überwachen IoT-Technologien den Transport, bilden die Bewegung der Fracht in Echtzeit ab, geben Füllständen und Temperaturen weiter. Im Grunde macht das Internet of Things die Logistik erst richtig smart. Als Embedded System Engineer entwickelst Du z.B. smarte Behälter und sorgst für die Vernetzung von Mensch und Maschine.
- Cloud Computing: Alle Partner in der Lieferkette miteinander vernetzen oder von jedem Ort der Welt auf Firmendaten zugreifen, KI oder IoT? Undenkbar ohne Cloud. Zur Optimierung der Lieferkette sind heute vor allem Enterprise Ressource Planning (ERP) und Supply Chain Management-Systeme als Cloud-Lösung verbreitet. Die Vorteile liegen auf der Hand: Unternehmen haben standortunabhängig Zugriff und können Kund:innen und Lieferant:innen in die Prozesse einbinden, z.B. um Lieferungen zu terminieren oder Bestellmengen anzupassen. SCM-Software in der Cloud, als Erweiterung des ERP, stellt eine gemeinsame Datenlage für alle Beteiligten bereit, die so aktiv zusammenarbeiten und in Echtzeit agieren können.
Ob Du in Zukunft Deine Pakete von selbstfahrenden Autos geliefert bekommst und eine Drohne sie Dir bringt, lässt sich natürlich nicht voraussagen. Sicher ist aber: Die Logistik 4.0 entwickelt sich rasant weiter und Du kannst sie mit Deine IT-Talent weiter vorantreiben. Logistik 4.0 bedeutet vor allem eines: Es gibt keine Insellösungen mehr. Alle Akteure entlang der Lieferkette, Steuerungs- und Managementsysteme sind miteinander vernetzt.
Wo kannst Du arbeiten?
Typische Arbeitgeber in der Logistikbranche sind Speditionen, Transportfirmen, Flughäfen, Reedereien, Paketdienstleistungsunternehmen und Eisenbahnunternehmen. Als Informatiker:in hast Du auch beste Voraussetzungen, um bei einer Firma anzufangen, die Software für Logistikunternehmen entwickelt. Durch seine zentrale Lage in Europa ist Deutschland weiterhin einer der wichtigste Logistikdreh- und Angelpunkt. Vor allem der Norden Deutschlands bietet sehr viele Arbeitgeber der Logistikbranche, allen voran Hamburg. Für manche IT-Talente steht schon während des Studiums fest, dass sie später in der Transport- und Logistikbranche arbeiten wollen. Oft spezialisieren sie sich dann schon an der Uni, z.B. auf Logistik und E-Business, Logistikmanagement oder Informationslogistik und managen die immer weiter steigende Flut an Daten.
Arbeitgeber aus der Logistik 4.0
- Die Logistikbranche ist immer auf auf der Suche nach neuen Technologien und Trends, um ihre Abläufe digitaler und damit effizienter zu machen.
- Die Logistik 4.0 ist die Grundlage für ein ganzheitliches, digitales Supply Chain Management und sie ist eine tragende Säule für die Umsetzung der Industrie 4.0.
- Besonders in den Bereichen Cloud Computing, IoT, Big Data und KI hast Du mit Deinem Informatik-Abschluss spannende Berufsaussichten.
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Robin Janßen, Senior Consultant